Oberlausitz: Einführung

Die
Oberlausitzer Städte, allen voran Görlitz und Bautzen, verfügen über
großartige historische Stadtzentren, die man zu Recht zu den
schönsten und wertvollsten deutschen Altstadtgebieten zählt. Die prächtigen Gebäude aus der Zeit der
Spätgotik, der
Renaissance, des
Barock und des
Klassizismus künden vom Wohlstand des einstigen Stadtbürgertums. Anders als die meisten sächsischen Großstädte waren sie von den verheerenden englischen und amerikanischen Luftangriffen wie auch von größeren sowjetischen Luft- und Artillerieangriffen am Ende des Zweiten Weltkrieges verschont geblieben. Dank einer
umfassenden Rekonstruktion und Sanierung seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr
1990 präsentieren sich die historischen Städte
heute eindrucksvoller als je zuvor.
Während sich die Oberlausitzer Städte für einen
Bildungsurlaub anbieten, empfiehlt sich die sehr abwechslungsreiche
Landschaft der Region für einen
Erholungsurlaub. Sie umfasst ein
Heideland (eine von den Gletschern der Eiszeit ausgeschürfte sandige Ebene) im Norden, zu dem auch ein sehr großes
Seenland und eine herrliche
Teichlandschaft gehören, sowie ein sanft gewelltes
Hügel- und Bergland mit fruchtbaren Lößlehmböden auf Granodiorit-Untergrund im mittleren Bereich und das romantische
Zittauer Gebirge als Ausläufer des Elbsandsteingebirges ganz im Süden.
Die Oberlausitz ging aus dem um Bautzen, dem alten
Budissin, gelegenen Siedlungsgebiet des
westslawischen (sorbischen) Stammes der Milzener hervor. Im
6. Jahrhundert war dieser aus Osteuropa kommend in das von den nach Westen abgewanderten germanischen Stämmen verlassene Gebiet nachgerückt. Weiter im Norden, im heutigen Südbrandenburg, hatte sich etwa zeitgleich der westslawische Stamm der
Lusici angesiedelt, der für die ganze
Lausitz namensgebend war und aus dessen Siedlungsgebiet die
Niederlausitz hervorging.
Im
10. Jahrhundert eroberten
König Heinrich I. und die von ihm eingesetzten Herren der neuen
Markgrafschaft Meißen die Lausitzer Gebiete. In mehreren
Kolonisationswellen nahmen nun deutsche, z.B. fränkische und thüringische Siedler Besitz vom Lausitzer Land. Dennoch konnten sich die Niederlausitzer wie auch die Bautzner
Sorben bis heute viel von ihrer Kultur, Tradition und Sprache bewahren. Mit etwa 60.000 Angehörigen handelt es sich heute um das kleinste der slawischen Völker. Bautzen ist das Zentrum der katholischen Sorben, während sich in Südbrandenburg der Schwerpunkt der evangelischen Sorben befindet.
Nach dem
Friedensschluss von Budissin im Jahr
1018 zwischen
König Heinrich II. und
König Boleslaw von Polen gehörte das Milzener Land zeitweilig
zu Polen, dann befand es sich
ab 1031 wieder in deutscher Hand (zunächst als Teil der Mark Meißen, dann als eigenständige
Mark Lausitz).
Ab 1076 war die Oberlausitz als
Lehen an den
Herzog von Böhmen vergeben,
ab 1253 fiel sie als Pfand an die
Markgrafschaft Brandenburg, um nun als
Markgrafschaft Oberlausitz eine recht eigenständige Entwicklung zu nehmen.
Ab 1319 (Zittau schon ab 1268, das Görlitzer Gebiet ab 1329) gehörte sie zum
Königreich Böhmen, das durch einen in Bautzen sitzenden Landvogt vertreten war, und
ab 1635 schließlich zum
Kurfürstentum Sachsen. Nach der Niederlage von Kaiser Napoleon und dessen Verbündeten, zu denen auch das von Napoleon zum Königreich erhobene Sachsen gehörte, fielen im Jahr
1815 Teile der nördlichen und östlichen Oberlausitz an das siegreiche Land
Preußen.
Weil sich die Oberlausitz, vor allem unter böhmischer Herrschaft, eine große Eigenständigkeit zu wahren vermochte, konnte sich das
Bürgertum der
Oberlausitzer Städte Bautzen, Görlitz, Zittau, Löbau, Kamenz und Lauban (heute das polnische Luban), die sich im Jahr
1346 zum
Oberlausitzer Sechsstädtebund zusammenschlossen, weitgehend ungestört und mit großen Vorrechten gegenüber den Adelsgeschlechtern der Region entwickeln und einen bedeutenden Reichtum durch Handel und Gewerbe (z.B. die Tuchmacherei) anhäufen, wovon noch heute die architekturhistorisch überaus wertvollen
Altstädte der genannten Orte künden. Durch die Oberlausitz führten bedeutende
Handelsstraßen, vor allem die
Hohe Straße (
Via regia, Mitteldeutschland-Meißen-Kamenz-Bautzen-Görlitz-Polen, 1252 ersterwähnt) und die
Böhmische Straße (Ostsee-Brandenburg-Görlitz-Zittau-Prag). Gehandelt wurden vor allem Lausitzer Tuchwaren und Leinen, der Tuchfarbstoff Waid und Salz. Einen Dämpfer erfuhr die politische und wirtschaftiche Kraft der Städte durch den
Pönfall im Jahr
1547, in der Zeit der Religionskriege nach der Reformation, als sie dem katholischen Landesherren die Gefolgschaft verweigerten und dafür mit Entzug von Privilegien und Beschlagnahme von städtischem Besitz bestraft wurden, sowie
ab Ende des 18. Jahrhunderts, als sich Tuch- und Leinenwaren aus England und Irland auf dem Markt durchsetzten und die
Oberlausitzer Manufakturen zugrunde gingen.
Kirchlich gehörte die Oberlausitz zum
Bistum Meißen, für das
Zittauer Land war der
Bischof von Prag zuständig. Nach dem Einzug der
Reformation ab 1521 erlangten in diesem sehr eigenständigen, nun
protestantischen Land auch solche Glaubensrichtungen wie das
Täufertum, der
Cryptokalvinismus und die
Mystik größere Bedeutung als anderswo in Mitteleuropa. Die Klöster Marienthal und Marienstern, das Domstift Bautzen sowie einige sorbische Siedlungsgebiete z.B. um Bautzen und Wittichenau blieben
katholisch. Einige Kirchen der Oberlausitz, die
Simultankirchen, werden von Katholiken und Protestanten gemeinsam genutzt, was sonst in Europa nur selten vorkommt. Wegen der großen Toleranz in religiösen Fragen erfuhr die Oberlausitz, vor allem während und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), einen bedeutenden Zuzug von Exulanten aus Böhmen und Schlesien, die entscheidend zum Wiederaufleben von Handwerk und Gewerbe jener Zeit beitrugen sowie auch viel von ihrer Kultur in die Oberlausitz einbrachten.
Die Besonderheiten der Geschichte und geografischen Lage der Oberlausitz ließen eine kulturelle Vielfalt entstehen, wie sie sonst nur selten in Mitteleuropa anzutreffen ist. Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl der Touristen aus aller Welt, die ihren Besuch nicht nur auf die prächtige
Barockstadt Dresden beschränken, sondern auch die Städte und Landschaften der Oberlausitz für sich entdecken.