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Geschichte der Oberlausitz
Deutsche Kolonisation, Böhmische Zeit | Sechsstädtebund | Neuere Geschichte | Die Sorben | Geschichte in Stichpunkten

Deutsche Kolonisation und Böhmische Zeit

Die deutsche Kolonisierung im 10. Jahrhundert

Bis zum Ende des 9. Jahrhunderts entwickelte sich die westslawische (sorbische) Kultur im Gebiet Oberelbe, Spree und Oder nahezu ungestört. Zwar hatte sich das Karolingerreich Karls des Großen schon zwischen 742 und 814 von Frankreich ausgehend über Deutschland und Böhmen nach Osten ausgedehnt, wobei das spätere sächsische Territorium in 23 Gaue (Gerichtsbezirke) eingeteilt wurde und die Missionierung der Sorben begann, doch nennenswerte kulturelle Veränderungen unter westeuropäischem Einfluss erfuhren die Sorben erst im 10. Jahrhundert.

Im Verlauf der ersten deutschen Ostexpansion besetzte König Heinrich I. auch die slawischen Siedlungsgebiete um Oberelbe, Spree und Oder. Im Jahr 929 gründete er die Burg Misni (Meißen), von der dann um 932 die Eroberung von Sorabia (wie die Deutschen das Land der Sorben nannten) ihren Ausgang nahm. Nach dem Tode von König Heinrich I. im Jahr 936 vermochten die Sorben die deutsche Herrschaft vorübergehend wieder abzuschütteln. Im Jahr 939 ließ der Meißner Markgraf Gero 30 sorbische Fürsten, die er zu einem Gelage eingeladen hatte, auf heimtückische Weise umbringen. Danach endeten die bis dahin häufigen sorbischen Aufstände.

Im Jahr 958 wurde in Budissin (Bautzen) - auf einem hohen Felssporn über der Spree - die Ortenburg errichtet. Dieser Burgenbau könnte auch eine Reaktion auf die Entstehung des polnischen Staates gewesen sein.

Um 990 unterwarf der Meißner Markgraf Ekkehard die Milzener und besetzte die Ortenburg. Die im Jahr 999 vom Bistum Meißen gegründete Bautzener Kirche St.Johannis gilt als erste Oberlausitzer Kirche.

Im Jahr 1002 eroberte der polnische Fürst Boleslaw Chrobry das Milzener Land. Er belagerte und erstürmte auch Budissin - damals eine von hohen Wällen geschützte Holzhaussiedlung mit der Ortenburg als Zufluchtsstätte.

Im Jahr 1006 belehnte der Kaiser den Meißner Bischof mit drei sorbischen Burgwarden, um die Missionierung in den slawischen Gebieten voranzutreiben.

Mark Lausitz, Markgrafschaft Oberlausitz

Nach dem Friedensschluss von Budissin im Jahr 1018 zwischen König Heinrich II. und dem polnischen König Boleslaw gehörte das Milzener Land zu Polen. Nach dem Sieg Konrads II. über den polnischen Fürsten Mieszko im Jahr 1031 fiel es wieder in deutsche Hand. Als Gau Milsca mit dem Hauptort Budissin zählte es zunächst zur Mark Meißen, wurde aber bald als eigene Mark Lausitz geführt. Hinzu kamen der Gau Besunzane mit Görlitz als Hauptort und der im Raum Zittau gelegene Gau Zagost ("Hinterwaldland"). Der Süden des Oberlausitzer Gebietes war damals von nahezu undurchdringlichem Urwald bedeckt, der zusammen mit dem Zittauer Gebirge eine natürliche Grenze zu Böhmen bildete. Viele Sorben flohen vor den deutschen und polnischen Besatzern in dieses Wald- und Bergland und siedelten sich hier meist an Flussläufen an.

Kaiser Heinrich IV. trat den Gau Milsca im Jahr 1076 an den böhmischen Herzog Wratislav II. als Lehen ab. Wiprecht von Groitzsch, der Schwiegersohn des Herzogs, trieb die deutsche Besiedlung der Oberlausitz voran. Um diese Zeit tauchen erstmals deutsche Ortsnamen in der Region auf. Zwischen 1200 und 1250 wurden die ersten Oberlausitzer Städte gegründet.

Die aus Westen eingewanderten fränkischen, thüringischen und sächsischen Bauern legten, meist an Wasserläufen, zahlreiche neue Straßen- und Angerdörfer an. Sie rodeten die ihnen zugewiesenen Waldhufen (langgestreckte Flurstücke, die meist direkt hinter den Gehöften lagen) und machten darauf Ackerland fruchtbar. In einem Gebäude in der Dorfmitte, das - aus einer slawischen Bezeichnung abgeleitet - Kretscham hieß, übten die sogenannten Lokatoren (Ortsgründer und vom Landesherrn eingesetzte Dorfvorstände) die niedere Gerichtsbarkeit aus. Die Namen vieler Dörfer der Region erinnern noch heute an solche Ortsgründer oder -vorsteher.

Die Lausitzer Grenzurkunde von 1241 legte die Grenze zwischen den böhmischen und den Meißnischen Burgwarden neu fest. König Wenzel I. von Böhmen soll die Urkunde auf dem Königstein im Elbsandsteingebirge unterzeichnet haben. Dies brachte dem Felsen hoch über der Elbe, auf dem sich damals eine Burg befand und später die große sächsische Landesfestung entstand, seinen Namen ein.

Im Jahr 1253 fiel der größte Teil der Oberlausitz, einschließlich der jungen Städte Bautzen, Görlitz, Löbau und Lauban, als Pfand an den Markgrafen von Brandenburg. Hieraus ging die Markgrafschaft Oberlausitz hervor, die nun eine recht eigenständige Entwicklung nahm.

Burgen und Grenzwarten

An den Grenzen der Oberlausitz gab es zahlreiche Burgen und befestigte Grenzwarten, von denen heute nur noch wenig erhalten ist.

Die Burganlage an der Mandau bei Zittau hatte unter anderem die Handelsstraße über das Zittauer Gebirge nach Böhmen zu sichern. Dieselbe Aufgabe besaß die südlich von Zittau an der Handelsstraße nach Gabel stehende Burg Karlsfried.

Eine aus einer älteren Befestigung hervorgegangene Wasserburg bei Bad Muskau diente schon vor 1200 als deutscher Herrensitz.

Der in Ruhland (Brandenburg) nach 1200 entstandene deutsche Herrensitz wird im Jahr 1317 als Burg Rulant ("ruhendes Land", Brachland) urkundlich erwähnt.

Burganlagen in Königsbrück, Großröhrsdorf, Pulsnitz und Stolpen sicherten die Westgrenze der Oberlausitz. Der erstmals 1248 erwähnte Ort Königsbrück, der 1331 das Stadtrecht erhielt, besaß eine um 1200 gebaute Wasserburg, die den Übergang ("des Königs Brücke") der Hohen Straße (Königsstraße) über den Fluss Pulsnitz sicherte.

Das Lausitzer Bergland und das Zittauer Gebirge bildeten mit ihren nahezu undurchdringlichen Urwäldern einen natürlichen Grenzwall im Süden der Oberlausitz. Zu den alten Grenzorten dieses Gebietes gehören Steinigtwolmsdorf, Sohland, Taubenheim, Ebersbach, Neugersdorf, Seifhennersdorf, Großschönau, Waltersdorf, Jonsdorf, Oybin/Hain, Lückendorf und Hartau.

Stadtgründungen, Stadtsiegel und Stadtwappen

Ab 1200 erhielten mehrere Oberlausitzer Siedlungen vom Landesherren das Stadtrecht verliehen. Dazu gehörten Bautzen und Kamenz im Jahr 1213, Görlitz im Jahr 1220, Zittau um 1220 (urkundliche Ersterwähnung 1238) und Löbau im Jahr 1221.

Die Stadtsiegel der größten Oberlausitzer Städte zeigen die folgende Ausstattung: Aus den Stadtsiegeln gingen ab 1386 die Stadtwappen hervor, die in späterer Zeit noch einige Veränderungen und Ergänzungen erfuhren. Bautzen: Zinnenmauer, Görlitz: gekrönter böhmischer Löwe und doppelköpfiger schlesischer Adler sowie Krone des (kurzzeitigen) Herzogtums Görlitz, Zittau: zweifarbiger gekrönter böhmischer Löwe und schlesischer Adler sowie das Z aus dem Siegel des Bischofs Johann von Gardar (der Prager Domherr war in den Hussitenkriegen nach Zittau geflohen), Löbau: einfarbiger ungekrönter böhmischer Löwe, Kamenz: gekrönter böhmischer Löwe, sonst fast identisch mit dem Siegelbild, Lauban: Stadtschlüssel und böhmischer Löwe (anders als das Stadtsiegel ohne schlesischen Adler).

Der aufgerichtete doppelschwänzige silberne oder zweifarbige böhmische Löwe - mit oder ohne Krone - auf rotem Grund im Stadtwappen vieler Oberlausitzer Städte erinnert an deren Zugehörigkeit zum Königreich Böhmen bis 1635.

Warenhandel und Geldwirtschaft

Die geografische Lage zwischen Böhmen, der Mark Meißen (später Kursachsen), Brandenburg (später Preußen), Polen und Schlesien machte die Oberlausitz zwar zum politischen Zankapfel zwischen diesen Mächten, was zu einem häufigen Wechsel der Landesherrschaft führte, wirkte sich aber günstig auf den Handel und die Wirtschaft des Landes aus. Zu den wichtigsten Handelswaren gehörten Thüringer und Lausitzer Tuchwaren.

Durch die Oberlausitz verliefen mehrere wichtige Handelsstraßen: Die Hohe Straße (Via Regia; 1213 in der Oberlausitzer Grenzurkunde als "antiqua strata"/Alte Straße und 1252 als "strata regia"/Königliche Straße erwähnt) führte von Meißen kommend über Königsbrück, Kamenz, Bautzen, Weißenberg, Görlitz und Lauban nach Schlesien. Von ihr zweigte in Bautzen der Böhmische Steig ab, der über Sohland nach Prag, und eine Böhmische Straße, die über Löbau, Zittau und Leipa nach Prag führte.

Eine viel ältere europäische Handelsstraße, die den Ostseeraum mit den Handelsplätzen an der Adria verband, verlief wegen der hier recht günstigen Mittelgebirgsüberquerung unter dem Namen Böhmische Straße durch das Görlitzer und Zittauer Gebiet nach Prag.

Bedeutend war auch die Salzstraße (Böhmische Glasstraße), die über Halle, Leipzig, Dresden, Stolpen, Langburkersdorf (bei Neustadt), Rumburg und Warnsdorf (oder den Schöberpass) nach Böhmen führte.

Bei Bad Muskau überquerte die von Leipzig kommende Niedere Handelsstraße die Neiße. Im Jahr 1429 wird hier erstmals eine Brücke erwähnt. Der Name Muskau könnte von Muscowe (Brückenort) abgeleitet sein.

Die mittelalterlichen Handelsstraßen waren meist nicht viel mehr als notdürftig ausgebaute Wald- und Landwege und im Winter oder nach Starkregen für Fuhrwerke kaum noch passierbar.

Das in der spätmittelalterlichen Oberlausitz übliche Zahlungsmittel war kursächsisches und böhmisches Münzgeld wie Dicktaler, Meißner Gulden, sächsischer Groschen (Silbergroschen = 12 Pfennige) und böhmischer Groschen (Weißgroschen = 7 Weißpfennige, Kleiner Groschen = 7 Schwarzpfennige). Die Geldumrechnungen bezogen sich in der Oberlausitz meist auf den böhmischen Kleinen Groschen. Auch mit Reichstaler und Schock sowie Zittauer, Görlitzer und schlesischer Mark wurde gerechnet, obwohl solche Münzen hier kaum im Umlauf waren. Nur entsprechende Mengen sächsischer und böhmischer Groschen wurden damit bezeichnet.

Unter böhmischer Herrschaft

Im Jahr 1319 fielen die Städte Bautzen, Löbau und Lauban, die seit 1253 infolge einer Verpfändung vorübergehend zur brandenburgischen Markgrafschaft Oberlausitz gehört hatten, wieder an das Königreich Böhmen (König Johann) zurück. Görlitz folgte im Jahr 1329. Das Zittauer Land war schon im Jahr 1268 unter Heinrich von Leipa zu Böhmen gekommen, wobei es als ein politisch recht eigenständiges Gebiet eine Pufferzone zwischen dem Königreich Böhmen und der Markgrafschaft Oberlausitz gebildet hatte.

Obwohl die Oberlausitz seit der deutschen Eroberung der sorbischen Siedlungsgebiete deutsches Reichsland war, tendierten die Oberlausitzer Städte politisch stets zu Böhmen, weil ihnen diese Zugehörigkeit viele Privilegien und eine große Unabhängigkeit brachte. Unter der böhmischen Krone durfte sich das von frühkapitalistischer Habgier getriebene Oberlausitzer Städtebürgertum endlose Städtefehden, Bierkriege und andere Provinzpossen leisten, die sich die Landesherren der Mark Meißen bzw. Kursachsens kaum hätten gefallen lassen.

Unter Karl IV. (1316-1378), der ab 1346 als deutscher König regierte, ab 1347 auch König von Böhmen war (zu Böhmen gehörten damals auch Mähren, Schlesien, die Oberlausitz und die Niederlausitz) und im Jahr 1355 zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt wurde, erlangte die Oberlausitz eine besonders große Eigenständigkeit und wirtschaftliche Macht, was auch in dem zu dieser Zeit gegründeten Oberlausitzer Sechsstädtebund zum Ausdruck kam. Zur bedeutenden wirtschaftlichen Entwicklung trugen vor allem das Tuchmachergewerbe und der durch die Oberlausitz führende Handel zwischen Brandenburg, der Mark Meißen (ab 1423 Kursachsen), Böhmen, Schlesien und Polen bei.

Die Oberlausitz war wie Mähren, Schlesien und die Niederlausitz ein selbstständiges Kronland Böhmens. Die Städte wachten sehr eifersüchtig über die Eigenständigkeit und Integrität des Oberlausitzer Territoriums. So verhinderte Bautzen im Jahr 1351 - unter Gewaltanwendung - den von den Herren von Schönfeld geplanten Verkauf von Königsbrück an den Markgrafen von Meißen. Karl IV. befürwortete dieses energische Vorgehen. Allerdings hatte sich die Stadt hierdurch eine Fehde mit den Herren von Schönfeld eingehandelt, die erst 1355 endete, als die Oberlausitzer Städte den Sitz derer von Schönfeld bei Königsbrück zerstörten. Auch den Verkauf von Hoyerswerda an den Brandenburger Grafen Schwarzburg-Spremberg durch die Herren von Schönfeld konnten die Städte, mit Unterstützung Karls IV., durch einen Rückkauf verhindern. Ebenso unterbanden sie im Jahr 1405 den Verkauf des Kamenzer Schlosses an den Meißner Markgrafen. Noch während eines diesbezüglichen Konvents der Städte in Löbau besetzten die Kamenzer Bürger kurzerhand das Schloss.

Nicht den Landesherren oder dem Adel, sondern dem wohlhabenden und sehr selbstbewussten Städtebürgertum, das damals die politische Führung im Land ausübte, verdankt die Oberlausitz ihre jahrhundertelange Eigenständigkeit und territoriale Unversehrtheit.



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