Landeshauptstadt Dresden
Landesgeschichte: Übersicht | Frühzeit | Deutsche Eroberung | Mark Meißen | Kurfürstentum Sachsen | Reformation, Kurfürst Moritz | Kurfürst August | Dreißigjähriger Krieg | August der Starke | Friedrich August III. | Napoleonische Zeit | Industrialisierung, Revolution | Ende Monarchie, Weltkrieg | Nachkriegszeit, DDR, Wende
Kulturgeschichte: Bildung & Wissenschaft | Buch- & Verlagswesen | Bildende Kunst | Musik & Tanz | Theater & Literatur
Sächsische Geschichte

Bürgerliche Reformen • Verfassung • Industrialisierung (1827-1904)

Bürgerliche Reformen von 1830/31, Sachsen erhält eine Verfassung

Nachfolger des nach 64 Regierungsjahren im Jahr 1827 verstorbenen Königs Friedrich August I. war der greise König Anton von Sachsen (reg. 1827-1836).

Anders als Sachsen-Weimar, wo im Jahr 1816 eine Verfassung in Kraft trat, die auf den von der Französischen Revolution deklarierten Grundrechten basierte, sperrte sich das Königreich Sachsen, vor allem durch das Wirken des reaktionären Ministers Detlev von Einsiedel (1773-1861), noch lange gegen die längst überfälligen Reformen.

Im Jahr 1830 kam es, auch in Reaktion auf die Juli-Revolution in Frankreich, vor allem in Leipzig und Dresden zu Unruhen, die den König schließlich zur Anerkennung von bürgerlichen Reformen und einer sächsischen Verfassung (4. September 1831) bewegten. Nicht zuletzt konnte das sächsische Volk auch die Entlassung des Ministers von Einsiedel erzwingen.

Sächsische Verfassung von 1831Die neue Verfassung von 1831 beschnitt die Rechte des Königs und die Vorrechte der Stände und räumte den Bürgern ein (beschränktes) Wahlrecht ein. Die Kunstsammlungen und zahlreiche sächsische Schlösser gingen in Staatseigentum über. Die neue Ständekammer richtete sich im Jahr 1832 im Alten Landhaus ein.


Bild: Sächsische Verfassung von 1831 (Sächsisches Staatsarchiv)


Der sächsische Staat und der königliche Hof besaßen fortan eine getrennte Finanzierung. Das Geheime Kabinett wurde aufgelöst. Die Minister unterstanden nun einem aus zwei Kammern bestehenden Landtag, der aufgrund seiner Zusammensetzung allerdings nicht das sächsische Volk, sondern die einflussreichsten bürgerlichen und adligen Kräfte des Landes repräsentierte.

Mit der Verfassung verloren 20 sächsische Gebiete wie die Oberlausitz, die Schönburgische Herrschaft und das Hochstift Meißen ihre bisherigen Hoheits- und Sonderrechte. Sachsen wurde in vier Kreisdirektionen - Dresden, Bautzen, Zwickau und Leipzig - gegliedert. In den Städten traten den Stadträten Stadtverordnetenversammlungen zur Seite. Auf dem Land wurden die Fronpflicht und weitere Lasten abgeschafft.

Königskapelle in TirolIm Jahr 1836 bestieg König Friedrich August II. von Sachsen (reg. 1836-1854) nach fünf Jahren Tätigkeit als Prinz-Mitregent seines greisen Onkels Anton den sächsischen Thron. Bei seinem Amtsantritt wurde er als freundlich und intelligent sowie recht liberal beschrieben. Mit der Zeit entwickelte er jedoch immer konservativere Ansichten. Seine Ablehnung der Frankfurter Paulskirchenverfassung und die Auflösung des sächsischen Parlaments führten schließlich zum Dresdner Maiaufstand von 1849, den er von sächsischen und preußischen Truppen niederschlagen ließ. In seinen letzten Lebensjahren sollen ihn Depressionen geplagt haben. Er war an Zoologie und Botanik interessiert und unternahm gerne Reisen, z. B. in die Tiroler Alpen, wo er dann im Jahr 1854 nahe Brennbichl bei Imst tödlich verunglückte.

Bild: Königskapelle in Tirol bei Imst - als Gedenkkapelle für König Friedrich August II. von Sachsen an dessen Sterbeort errichtet


Die revolutionäre Bewegung von 1848/49, Dresdner Maiaufstand

Die für ein vereinigtes demokratisches Deutschland kämpfende revolutionäre Bewegung führte im Jahr 1848 auch in dem von König Friedrich August II. regierten Sachsen zu Unruhen. Der reaktionäre Minister Traugott von Könneritz (1792-1866) sah sich zur Abdankung gezwungen. Kurz darauf, am 16. März 1848, bildete sich unter der Leitung des vogtländischen Advokaten Alexander Hermann Braun (1807-1868) die erste bürgerliche Regierung Sachsens.

Bei der Wahl der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche siegten die Demokraten vor den Liberalen. Der Sachse Robert Blum (1807-1848) war der Führer der radikalen Demokraten (im November 1848 wurde er in Wien, wo er an einer revolutionären Volkserhebung teilgenommen hatte, standrechtlich erschossen). Auch bei den kurz darauf stattfindenden sächsischen Landtagswahlen siegten - was einmalig in Deutschland war - in beiden Kammern die Demokraten. Aus dem "Musterland der Reaktion" war ein "Rotes Königreich" geworden.

Die Ablehnung der Paulskirchenverfassung durch den sächsischen König im Jahr 1849 löste den Dresdner Maiaufstand aus, der vom 3. bis zum 9. Mai 1849 dauerte. Der König floh auf die sächsische Staatsfestung Königstein.

Unter den etwa 3.000 Barrikadenkämpfern des Maiaufstandes befanden sich auch der Komponist und Hofkapellmeister Richard Wagner und der Architekt Gottfried Semper. Beide mussten nach der Niederschlagung des Aufstandes durch sächsische und preußische Truppen aus Sachsen fliehen.

Minister Friedrich Ferdinand von Beust (1809-1886) löste im Jahr 1850 die beiden Kammern des sächsischen Landtages auf und richtete die alten Landstände wieder ein. Er arbeitete gegen die politische Vereinigung Deutschlands und machte Sachsen zum Verbündeten Österreichs.

Industrialisierung Sachsens

Während die politischen Reformen in Sachsen im Vergleich zu anderen deutschen Ländern recht schleppend verliefen und herbe Rückschläge erlitten, erfuhr das Land ab 1825 eine rasante Industrialisierung. Allein die Textilindustrie gründete bis zum Jahr 1830 etwa 200 neue Fabriken. Im Erzgebirgsvorland, im Vogtland und in der südlichen Oberlausitz brachte dieser Industriezweig die ab jetzt für Sachsen charakteristischen Industriedörfer hervor.

Im Jahr 1829 entstand der Sächsische Industrieverein. Vor allem auf Druck der expandierenden Textilindustrie trat Sachsen im Jahr 1834 dem Deutschen Zollverein bei, der unter der politischen Kontrolle Preußens stand, aber bald von Sachsen ökonomisch dominiert wurde.

Mit der Industrialisierung gingen große Fortschritte im Verkehrswesen einher. Zur Strecke der zwischen 1836 und 1839 von etwa 8.000 Arbeitern gebauten ersten deutschen Eisenbahn-Fernverkehrsstrecke Leipzig-Dresden gehörten eine 345 m lange Elbebrücke bei Riesa und ein 513 m langer Felsentunnel in Oberau, bei deren Bau die damals modernsten Technologien zum Einsatz kamen. Schon im ersten Jahr beförderte diese Bahnlinie etwa 40.000 Passagiere. Die Industrie nutzte die neuen Bahnstrecken wie auch die seit 1837 bestehende Elbe-Dampfschifffahrt für den Gütertransport. Im Gefolge der Dampfschifffahrt und des Eisenbahnverkehrs entwickelte sich in Sachsen, beginnend im Elbtal und im Elbsandsteingebirge, der zu jener Zeit in Europa noch kaum bekannte Tourismus.

Sachsen unter König Johann

Mit dem kunstsinnigen und an Wissenschaften interessierten König Johann von Sachsen (reg. 1854-1873) saß ein Gelehrter auf dem sächsischen Thron - ein Sprachwissenschaftler und ausgebildeter Jurist. Er wurde unter anderem als Dante-Forscher bekannt. Schon als Prinz gab er im Jahr 1849 unter dem Pseudonym Philalethes eine Übersetzung von Dantes "Göttlicher Komödie" heraus. Er gehörte ca. 30 europäischen wissenschaftlichen Gesellschaften an und erhielt im Jahr 1869 auf Vorschlag von Leopold von Ranke den Titel "Ritter der Friedensklasse des Pour le Mérite" verliehen.

Innenpolitisch galt König Johann als sehr konservativ und außenpolitisch operierte er wenig glücklich. In der Schlacht bei Königgrätz im Jahr 1866, die mit dem Sieg Preußens endete, standen 32.000 sächsische Soldaten auf österreichischer Seite. Mit dieser Niederlage büßte Sachsen auch noch den Rest seiner politischen Bedeutung ein. Das Land sah sich zum Beitritt zu Bismarcks Norddeutschem Bund gezwungen. In diesem entfielen auf das Königreich nur vier von 43 Bundesrat-Stimmen (auf Preußen allein 17 Stimmen). Bismarck schaffte es, Sachsen innerhalb kurzer Zeit in das preußische politische System zu integrieren.

Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 stellte Sachsen die Maas-Armee. Sächsische Truppen waren an der Niederschlagung der Pariser Kommune und an der Annexion von Elsaß-Lothringen beteiligt. Nach dem Krieg flossen erhebliche Mengen französischer Kontributions-Gelder an Sachsen, die man unter anderem für den Bau und die Restaurierung repräsentativer Gebäude in Dresden (z. B. Finanzministerium und Gesamtministerium) und anderen sächsischen Städten (z.B. Meißner Albrechtsburg) verwendete.

Prinz Albert von Sachsen wurde Marschall des Deutschen Reiches, der sächsische General Georg Friedrich von Fabrice (1818-1891) Generalgouverneur im besetzten Frankreich.

Nach König Johann herrschten im wirtschaftlich hochentwickelten, aber außenpolitisch unbedeutenden Königreich Sachsen König Albert (reg. 1873-1902) und König Georg (reg. 1902-1904).

Zweite Phase der Industrialisierung, Erstarken der Arbeiterbewegung

Die um 1825 in Sachsen beginnende und sich nach den revolutionären Ereignissen von 1849 beschleunigt fortsetzende Gründerzeit hatte viele neue Firmen und Banken entstehen lassen. Das in politischen und Kriegsangelegenheiten weniger erfolgreiche Königreich Sachsen definierte seine Rolle in Deutschland nun vor allem über seine wissenschaftlich-technischen und künstlerischen Leistungen. In Sachsen setzte eine rasante wirtschaftliche Entwicklung ein.

Das schon seit Jahrhunderten zu den führenden Handelsstädten Europas gehörende Leipzig erlangte mit dem um 1895 vollzogenen Übergang von der Waren- zur Mustermesse eine noch größere Bedeutung. Im Rauchwarenhandel (Pelzhandel) war die Stadt führend in Deutschland. In Leipzig wurde vor 1914 etwa ein Drittel der weltweit gehandelten Felle verkauft.

In der zweiten Phase der Industrialisierung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verzeichneten die sächsischen Städte wie auch die Dörfer an den Industriestandorten ein enormes Bevölkerungswachstum. Die rasant zunehmende Fabrikarbeiterschaft kam in großen tristen Mietskasernen an den sich schnell ausweitenden Stadträndern unter. In den Stadtzentren dagegen entstanden nun repräsentative Bauten in historisierenden Neo-Stilen wie Neogotik, Neorenaissance und Neobarock.

Das hochgradig industrialisierte Sachsen, in dem unerträgliche Arbeitsbedingungen, Hungerlöhne, Kinderarbeit und eine schnelle Verelendung bei Krankheit und im Alter zum Alltag gehörten, entwickelte sich zum Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie. Im Jahr 1863 gründete Ferdinand Lassalle (1825-1864) in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. In Leipzig wirkten auch August Bebel und Wilhelm Liebknecht, die im Jahr 1872 - im Leipziger Hochverratsprozess - wegen ihrer Parteinahme für die Pariser Kommune und ihrer Verurteilung der Annexion Elsaß-Lothringens zu je zwei Jahren Festungshaft verurteilt wurden.

Der Arbeitskampf erreichte im Jahr 1903 einen Höhepunkt. Mit den etwa 10.000 Fabrik- und Heimarbeitern, die in Crimmitschau, einem Zentrum der Textilindustrie, für höhere Löhne und die Verkürzung der Arbeitszeit streikten, solidarisierten sich Arbeiter aus ganz Deutschland und mehreren europäischen Ländern. Die von der Regierung unterstützten Textilunternehmer konnten den Streik nach 21 Wochen brechen, doch bei den Reichstagswahlen von 1903 führte die starke soziale Bewegung zum Sieg der SPD in 22 von 23 sächsischen Wahlkreisen (nur Bautzen wählte konservativ).



CD-Version Dresden & SachsenAngebot:
CD-Ausgabe "Dresden & Umgebung"
mit 3 Büchern, 16 Fotogalerien und dem vollständigen landeskundlichen Reiseführer [ weiter... ]



  nach oben